Herrn Neukamms Reaktion auf meine Verteidigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung – Teil 1

Nach der erstmaligen Veröffentlichung meiner Verteidigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung – Teil 1 am 09.09.2002 reagierte Herr Neukamm bereits am darauffolgenden Tag. Die von mir diskutierte Passage seines Beitrags, die er mehr als zwei Jahre im Internet angeboten hatte, wurde von Herrn Neukamm daraufhin aus seinem Internet-Dokument vollständig entfernt. An eben diese Stelle kopierte Herr Neukamm einen älteren seiner Beiträge, nämlich „Evolution oder Schöpfung, Zufall oder Notwendigkeit? – die Argumentation mit der Wahrscheinlichkeit“ aus dem Jahr 2000 (30.04.2000 gemäß dem Vermerk im Internet-Dokument selbst). Diesen Beitrag findet man somit nun zweimal auf seiner Homepage. Als Reaktion auf meine Kritik wurde dieses Dokument in beiden Fällen lediglich um folgende Fußnote ergänzt (Stand 16.09.2002):

M. Neukamm: In Abwandlung des erwähnten Würfelbeispiels könnte man auch den Fall eines Ziegelsteins bemühen, um antievolutionistische Schlußfolgerungen zu widerlegen. So stellt man fest, daß die Konfiguration der Splitter in jedem Falle auch extrem unwahrscheinlich ist und dennoch realisiert wird. Gegen dieses Beispiel wenden Evolutionsgegner nun beispielsweise folgendes ein:

„Die Zersplitterung eines herabfallenden Ziegelstein liefert jedoch keinerlei Funktionalität. Die Frage muss daher nicht lauten: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für die Anordnung der Splitter, sondern: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für eine durch die Zersplitterung gelieferte Funktionalität?“ (WITTLICH, 2002)

In dieser Betrachtung steckt jedoch derselbe Denkfehler, über den wir oben gesprochen haben. Die Selektion nämlich, die – wie wir gesehen haben – enorm in die Zufallsverteilung eingreift, die wird hier mit keinem Worte erwähnt. An die Möglichkeit, daß zunächst eine noch so kleine Abweichung der „Splitteranordnung“ vom statistischen Durchschnitt bereits genügt, um quasi einen ersten selektionspositiven Schritt in Richtung einer komplexeren Struktur zu fixieren, diese Möglichkeit diskutiert WITTLICH nicht. Findet man nach einigen „Fallversuchen“ tatsächlich eine Struktur, die eine wichtige Richtung vorgibt, kann man schrittweise – weitere Selektionsschritte summierend – auf dem bisher Erreichten aufbauen, bis man endlich eine hinreichend „funktionale“ und komplexe Struktur in die Splitteranordnung gebracht hat. Und dann braucht man keine unendlich vielen Versuche, um eine solche Struktur zu realisieren; es genügen jeweils bereits einige wenige, um – durch schrittweise Selektion „vorteilhafter“ Konfigurationen – komplexere Strukturen zu generieren.

Kommentar:

Eine Selektion könnte aus logischen Gründen erst dann eingreifen, wenn etwas da ist, was selektiert werden kann. Und dieses Etwas muss irgendeine Funktionalität haben, denn letztlich geht es bei der angenommenen Selektion ja immer um das Herausfiltern einer durch Zufall entstandenen Verbesserung (Optimierung) irgendeiner bereits bestehenden Funktion. Aber gerade die Entstehung einer rudimentären Funktion war Gegenstand der Berechnungen von Klaus Wittlich. Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal an seinen aussagekräftigen Satz:

Klaus Wittlich: Von der Programmierlogik her ist klar, dass Unterprogramme erst dann etwas nützen, wenn sie fertig und damit funktionstüchtig sind, sonst nicht. Das Prinzip der Evolution der kleinen Schritte („wieder ein richtiges Zeichen gefunden, das Unterprogramm ist also besser geworden“) ist daher nicht anwendbar. Die Unterprogramme im biologischen Sinn sind funktionstüchtige DNA-Ketten. Die Anzahl der möglichen DNA-Ketten einer bestimmten Länge sind nun zu berechnen.

Eine elementare Funktion ist somit der kleinstmögliche anzunehmende Ausgangsfaktor. Eine Struktur, die keinerlei Funktionalität liefert, bringt gegenüber einer anderen Struktur, die auch keine Funktionalität liefert, nun mal keinen Selektionsvorteil.

Die Selektion in diesem Zusammenhang mit ins Spiel zu bringen, ist somit verfrüht und damit unzulässig. Bei der Frage nach dem Ursprung erster funktionaler Strukturen müssen somit auch Evolutionstheoretiker in ihrer Argumentation auf die Selektion verzichten. Eine Selektion greift erst, nachdem der Zufall eine komplexe Struktur aufgebaut hat. Selektion kann Vorhandenes nur filtern, aber nichts grundsätzlich Neues schaffen!

Dass Herr Neukamm seine ursprünglichen Anmerkungen nicht verteidigt oder richtigstellt, sondern statt dessen löscht und durch einen anderen Beitrag ersetzt, mag jeder interpretieren wie er will. Ich hätte mir – offen gesagt – doch etwas mehr Seriosität gewünscht. Darauf aufmerksam gemacht, gab Herr Neukamm als Grund der Löschung der von mir diskutierten Passage an, dies sei ‚in Einsicht seiner verbalen Verfehlungen‘ geschehen.

Ergänzungen:

In diesem Zusammenhang wird den Leser sicherlich auch der folgende Beitrag Klaus Wittlichs interessieren: Häufige Einwände zur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Hier wird an einem Beispiel aus der Programmiertechnik (ein nicht weiter simplifizierbares Bubblesort-Algorithmus-Fragment in C) unter anderem anschaulich gezeigt, warum Selektion bei der ursprünglichen Entstehung rudimentärster Funktionen nicht greifen kann.