In seinem populären Buch Der blinde Uhrmacher führt Richard Dawkins ein Beispiel an, um zu zeigen, wie man die Wahrscheinlichkeit in evolutiven Abläufen angeblich radikal erhöhen kann: Hier sein Beispiel (in der englischen Originalausgabe (1986) auf S.46-50; deutsche Ausgabe 61-67 (dtv-Sachbuch, 1990)):
METHINKS_IT_IS_LIKE_A_WEASEL
Dawkins nimmt nun eine genauso lange 28stellige Zufallszeichenfolge bestehend aus 26 verschiedenen Buchstaben und dem Leerzeichen (hier als „_“ dargestellt), die so aussieht:
WDL_MNLT_DTJBKWIRZREZLMQCO_P
Nun entwirft Dawkins folgendes Szenario: Man geht alle Buchstaben der Reihe nach durch und wechselt jeden Buchstaben, der nicht mit dem Buchstaben an entsprechender Position im ursprünglichen Satz übereinstimmt, durch einen anderen Buchstaben aus.
Per Zufallsgenerator ergibt sich laut Dawkins folgende Versuchskette:
Versuch 1: WDL_MNLT_DTJBKWIRZREZLMQCO_P Versuch 2: WDLTMNLT_DTJBSWIRZREZLMQCO_P Versuch 10: MDLDMNLS_ITJISWHRZREZ_MECS_P Versuch 20: MELDINLS_IT_ISWPRKE_Z_WECSEL Versuch 30: METHINGS_IT_ISWLIKE_B_WECSEL Versuch 40: METHINKS_IT_IS_LIKE_I_WEASEL Versuch 43: METHINKS_IT_IS_LIKE_A_WEASEL
Dawkins‘ Algorithmus führt also bereits nach 43 Schritten zum Ziel. Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass ich lange nicht mehr so herzlich gelacht habe. Ein Optimierungsalgorithmus, der schon vorher weiß, was am Ende herauskommen soll, hat mit Zufall nun wirklich nichts mehr zu tun – genau das ist nämlich Intelligenz! – Und damit genau das, was Dawkins durch sein Beispiel eigentlich ausschließen wollte!
Ich kam bei dem gleichen Versuch übrigens zu abweichenden Ergebnissen: Bei 1000 Versuchen waren zwischen 46 und 592 Versuche notwendig, um aus einer 28-stelligen Zufallszeichenfolge die gewünschte vorgegebene Zeichenfolge zu erreichen. Im Durchschnitt benötigt man 137 Versuche. Herr Dawkins hat hier also eine extrem günstig ausgefallene Versuchsfolge als Beispiel genommen, woraus ich ihm aber keinen Strick drehen will – ich wollte es nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Eine typische Versuchsreihe mit dazugehörigem Algorithmus findet sich hier.
Die Wahrscheinlichkeit, durch Zufall den gewünschten Satz zu erhalten, beträgt 1 : 2728 (27 Buchstaben an 28 Stellen). Das sind etwa 1 : 1040. Dawkins vereinfacht das Problem durch einen unfehlbaren Optimierungsalgorithmus so radikal, dass am Ende gar kein falscher Satz mehr herauskommen kann! Die „immens große Zahl“ an alternativen Möglichkeiten schrumpft er auf 0 zusammen. Sein Beispiel hat mit realer Komplexität also nichts mehr zu tun. Wenn man seinen Algorithmus noch ein wenig weiter optimiert, indem man die Buchstaben des Alphabets von A-Z durchprobiert, hat man nach spätestens 27 Schritten alle Bücher einer ganzen Bibliothek generiert. Der Haken an der Sache ist nur: Der Inhalt dieser Bücher muss vorher bereits vollständig bekannt sein!
Wenn also die Evolution schon vorher ‚wusste‘, wie ein DNS-Molekül auszusehen hat, dann ‚wusste‘ sie natürlich auch, welche Aminosäuren man so lange auswechseln muss, bis das gewünschte Ergebnis vorliegt. Aber woher soll sie das ‚gewusst‘ haben? Dawkins belegt die Evolution hier bewusst oder unbewusst mit dem Attributen Allwissenheit und Intelligenz.
Damit hat die Evolution mittlerweile alle Attribute, die ein Schöpfer auch hat: Sie ist allmächtig, zeitlos, überall wirkend, allwissend und intelligent. Nimmt man einen intelligenten Gott aus der Gleichung des Lebens heraus, so bleibt einem ja gar nichts anderes übrig, als ihn durch eine adäquate Alternative zu ersetzen. Ist die Alternative nicht adäquat (wie es beim Zufall nun mal der Fall ist), bekommt sie die fehlenden Fähigkeiten und Attribute kurzerhand aufgedrückt! Diese Vorgehensweise ist alles andere als seriös.
Außerdem: Selbst der intelligenteste Mensch auf diesem Planeten wird zwischen den Zeichenfolgen
0: WDL_MNLT_DTJBKWIRZREZLMQCO_P 10: MDLDMNLS_ITJISWHRZREZ_MECS_P
keinerlei Selektionsvorteil erblicken können. Inwiefern enthält die Zeichenfolge während der 10 ersten ‚Verbesserungen‘ irgendeinen Informationszuwachs? Hat die zweite Buchstabenfolge etwa mehr Sinn als die erste und die dritte mehr als die zweite? Worin besteht der Selektionswert? Das Ganze funktioniert offenbar nur, wenn vorher bekannt ist, wie die Zeichenfolge am Ende aussehen soll. Wenn dies aber schon vorher bekannt ist, dann braucht sie nicht mehr ‚zufällig‘ zu entstehen – sie ist ja schon da!