M. Neukamm: Kommentar 6: Ganz allgemein läßt sich feststellen, daß Wahrscheinlichkeitsberechnungen die Prämisse zugrunde liegt, unbedingt eine ganz bestimmte Funktionsanordnung (oder eine eingeschränkte Menge von Ereignissen) reproduziert zu bekommen.
Es geht darum, die kleinstmögliche Funktionalität zu reproduzieren, unterhalb derer keine funktionale Struktur erkennbar ist. Klaus Witllich zeigt das sehr anschaulich in seinem Beitrag Häufige Einwände zur Wahrscheinlichkeitsrechnung anhand eines nicht weiter simplifizierbaren Bubblesort-Algorithmus-Fragment in C. Bereits an diesem Beispiel wird deutlich, dass eine zufällige Entstehung von sinnvoller Information nicht möglich ist.
M. Neukamm: In der Evolution müssen jedoch nicht konkrete Funktionen realisiert werden, denn es reicht ja bereits, wenn einem System durch Modifikation irgendein beliebiger Überlebensvorteil erwächst.
Es geht nicht um die Modifikation eines Systems, sondern um die Entstehung desselben! Obiger Satz hört sich so an, als könne eine x-beliebige Funktionalität entstehen, damit ein Lebewesen lebt. Zum Leben benötigt ein Organismus jedoch ganz bestimmte lebensnotwendige Funktionen für Stoffwechsel (zur Energiegewinnung) und Reproduktion, um nur zwei wesentliche Funktionsblöcke zu erwähnen.
M. Neukamm: Die Frage kann also nicht lauten „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine bestimmte Menge von selektionspositiven Veränderungen im Organismus eintritt?“, sondern es muß gefragt werden „Wie wahrscheinlich ist die Entstehung irgendeiner vorteilhaften Systemveränderung?“.
Es geht nicht um die Veränderung eines Systems, sondern um die Entstehung desselben!
M. Neukamm: Da man aber weder weiß, welche und wieviele Biomoleküle unter welchen Bedingungen einem Organismus einen Überlebensvorteil bescheren können, welche und wieviele Gene wie miteinander verschaltet werden können, damit sich eine vorteilhafte Genwirkkette bildet, wieviele Alternativmöglichkeiten es gibt, um irgendeine Struktur sinnvoll mit irgendeiner anderen zu kombinieren, sind Berechnungen, die nur die Wahrscheinlichkeit einer einzigen (Menge von) Realisierungsmöglichkeit(en) unter immens vielen denkbaren Alternativen präsentieren, vollkommen bedeutungslos.
Es geht nicht um Überlebensvorteile eines Organismus, sondern um die erstmalige Entstehung eines winzigen Teils (ein Protein, ein Gen) eines Organismus!
M. Neukamm: In jedem Falle ist es sehr problematisch, Wahrscheinlichkeiten anzugeben, für deren sinnvolle Berechnung wichtige Details fehlen. Ein Prozeß, dessen Kausalerklärung man noch nicht kennt, kann man nicht auf abstrakte Zufallsschritte reduzieren, um dann irgendwelche Wahrscheinlichkeiten zu berechnen; das wäre in jedem Falle eine unbegründete Simplifikation. Insbesondere für die Synorganisationsproblematik sowie für das Problem der „irreduzierbaren Komplexität“ gibt es Modelle, die zeigen, daß die Evolution dem Zufall stark entzogen sein könnte (siehe unten). Es müßte also abgewartet werden, bis man in der Evolutionsforschung die Voraussetzungen geklärt hat, um hier noch sinnvoll weiterreden und entscheiden zu können, inwieweit der Zufall tatsächlich noch eine Rolle spielt.
Ist das das Eingeständnis, dass der Zufall keine komplexen Strukturen aufbauen kann? Da die Selektion bei der erstmaligen Entstehung einer funktionalen Struktur im Sinne des Evolutionsgedanken jedoch ausscheidet und der Zufall die geforderte Leistung nicht erbringen kann, bleibt nur noch die ernüchternde Schlussfolgerung: Eine Evolution konnte niemals von selbst beginnen! So weit war Darwin auch schon.