Kommentar 3

M. Neukamm: Die Frage, was jemand will, steht eigentlich nicht zur Debatte. Es geht eher darum zu zeigen, daß die Voraussetzungen falsch sind, um aus beliebigem Multiplizieren und Potenzieren antievolutionistische Schlüsse zu ziehen.

‚Beliebig‘ waren die Berechnungen von Klaus Wittlich nicht. Es wurden aufgrund bestehender Naturgesetzmäßigkeiten Rahmenbedingungen für die Berechnungen abgesteckt und dann eine Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer hochvariablen Gensequenz ermittelt. Das Ergebnis war für eine Evolution zugegebenermaßen vernichtend, aber das ist wohl eher das Problem der Evolutionstheoretiker.

M. Neukamm: Weder in der molekularen Evolution noch in der sogenannten „Makroevolution“ macht es Sinn, Berechnungen anzuführen, welche die chemische Thermodynamik und Reaktionskinetik, die Rolle von Selektion, die Entscheidungsfreiheit in der Evolution, die eventuellen Möglichkeiten der Kopplung von Genen sowie das Wesen von Doppelfunktionen unter den Tisch fallen lassen.

Für die erstmalige Entstehung eines reproduzierfähigen Lebewesens sind obige Punkte irrelevant. Selektion ist verfrüht, Gene gibt es noch nicht, können zwangsläufig auch nicht gekoppelt werden und Doppelfunktionen sind frühestens nach der Entstehung eines ersten Lebewesens vorhanden. Mit den chemischen Voraussetzungen zur Entstehung von Makromolekülen befasst sich der Artikel Ist die zufällige Entstehung informationstragender Makromoleküle möglich?.

M. Neukamm: Außerdem habe ich in meinem älteren Text ja darauf hingewiesen, daß nahezu jedes bereits eingetretene Alltagsereignis eine a priori-Wahrscheinlichkeit von „fast Null“besitzt. Nehmen wir etwa an, Sie bekamen am letzten Freitag einen Anruf um 10.35:22 Uhr; gleichzeitig passierte an der nächsten Straßenkreuzung ein Unfall. Sie müßten mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß die Wahrscheinlichkeit a priori extrem klein war. Nur dürfen Sie daraus eben nicht schließen, daß es kaum hätte eintreten können, denn es hat eben niemand verlangt, daß dieses – „im Geiste“  vorweggenommene Ereignis so und nicht anders zu reproduzieren war.

Bei Klaus Wittlichs Beispielen geht es nicht um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Ereignisses, sondern um die Wahrscheinlich der Bildung sinnvoller Informationscodierung. Ich denke, kein Wissenschaftler würde versuchen, das Miller-Experiment mit der Erwartung durchzuführen, einen willkürlichen DNS-Strang aus 100 Nukleotiden zu erzeugen. Und warum nicht? Weil man berechnen kann, dass so etwas nicht funktionieren kann. Die Genauigkeit entsprechender stochastischer Berechnungen macht es möglich, auf entsprechende, sinnlose Experimente zu verzichten.